zurück

Eines Landmannes Chronik

Der Bauer Josef Etchen über das Hungerjahr 1863

"Da es endlich,dass die von Mitleid bewegten Reichsstände in Wien zusammen traten und für die Notleidenden ein Hungergeschenk gaben. Nämlich Erstens: Mehl wovon unsere Gemeindemitglieder am 4. Jänner 1864 48,1/4 Center Flachmehl zur Aushilfe bekamen, welches im Gemeinde-Magazine aufbewahrt wurde und vom welchen die genannten Armen alle acht Tage auf den Kopf zwei Pfund ausfassten, bis zum 1. März; nach diesem fassten sie ebensoviel Brot auf den Kopf bis zum 1. Mai. Da nun dieses nur ein geringer Theil von Lebensmitteln war und nicht hinreichte, um bestehen zu können, so haben sich die Bauern und Häussler zusammengestellt, das heisst : Alle für Einen und Einer für Alle zu haften und auf diese Einigkeit hin bekamen die Parteien von den Spekulanten Frucht, Korn und Hafer um den schon erwähnten Preis.Dann haben die ganz Armen auch einen Anspruch um Brotfrucht erhoben, weil sie mit der obbenannten Mehl- und Brotausfassung nicht bestehen konnten und so wurde es ihnen von den Spekulanten versprochen, unter der Bedingung wenn fünf bis sechs Bauernsessionen dafür haften wollten.Und dies geschah denn auch und am 19. April erfolgte die Ausfassung der Früchte für die genennten Armen."
"Das wenige Stroh ging bei den meisten Bauern anfangs des Jahres 1864 zu Ende, ebenso das wenige Kukurutzlaub, und so waren wir denn gezwungen uns ein Darlehen von der Boden-Credit-Anstalt in Pest auf unsere Hutungsfelder auszuborgen, welches auf fünf aufeinanderfolgende Jahre zurück zuzahlen ist und wofür wir unsere sämmtlichen Hutungsfelder als Pfand einsetzen mussten. Nur 4000 fl. österreichische Währ. bekamen wir dafür und dieses Geld wurde uns erst noch mit grossem Verlust eingehändigt. So klein die Summe auch war, welche beim Theilen auf jeden entfiel, so konnte doch für dieses Geld ein geringer Futtervorrath angeschafft werden. Denn die Klafter Weizenstroh kostete 25-30 Gulden österr. Währ. und das Büschel Kukurutzlaub 10 Kr. man musste danach suchen."
"Der Winter 1863/64 war hart, erst am 20. Februar 1864 liess die Kälte nach. Um Heizen zu können, warf man die alten Mistmauern um. Im März gab es genügend Regen, vom 4. April bis zum 19. April kam ein warmer Frühlingsregen, der sich günstig auswirkte. Am 22. April bekamen die Bauern von der Regierung Samenkukurutz, am 25. April verordnete das Stuhlamt, dass für die Armen und Arbeitsunfähigen eine Kraftsuppe gekocht werden müsse um dadurch der bevorstehenden Hungerkrankheit vorzubeugen, welche sich in mehreren Ortschaften schon sehen liess.Die Vertheilung der Suppe am 28. April zum erstenmal vorgenommen und geschah von da an alle Woche dreimal bis zur Ernte 1864, es wurde darauf strengstens geachtet, dass die Verordnung ohne Ausnahme eingehalten werden musste."
Vom 20. April bis zum 2. Mai war Schönwetter, dann verursachte ein Frost beträchtlichen Schaden in den Weinbergen. Wie 1863 traten auch diesmal wieder Raupen auf doch das gute "Wachsthum des Getreides widerstand dem Ungeziffer". Am 4. Mai gab es einen Sturmregen, der sich in Schnee verwandelte. Frost und Kälte dauerten bis zum 8. Mai, Obstbäume und Reben trugen schwere Schäden davon. Bis zur Ernte war das Wetter günstig, die Ernte war demgemäss auch gut. Mancher, der im im Jahre 1863 von 24 Joch nur 45 Metzen erntete, erhielt im Jahre 1864 von 21 Joch 420 Metzen. Aber die Schuldenlast war mit dieser Ernte nicht zu befriedigen oder abzuzahlen, weil das Getreide in einem zu schwachen Preise stand. Denn die Frucht musste um 4 fl. 50-60 Kr. öst. Währ., das Korn aber um 2.fl 30-40 Kr. verkauft werden, wärend das übrige Getreide fast garnicht geachtet und sozusagen an die Spekulanten verschenkt werden musste, waren ihnen doch die Leute durch ihre Schulden verpflichtet.
Etchen schliesst mit einer Ermahnung an seine Kinder:" ..in Frieden zu Leben, sei es Freude oder Leid, Glück oder Unglück, bis sich diese irdische Prüfungszeit mit der Ewigkeit vereinigt."
Von der Hilfsbereitschaft der Schwabendörfer erzählte auch Josef Gabriel. Die Bogaroscher liehen den Mercydorfern Saatgut ohne jedwelche Sicherung zu verlangen. Ein Bogaroscher borgte einem Mercydorfer einen Wagen Weizen, weder Geber noch Empfänger notierten sich ihre Namen. Nach Jahresfrist musste der Mercydorfer in Bogarosch hausieren gehen, bis er den Wohltäter fand. Als 1869 ein Feuer 19 Wohnhäuser und allerlei Wirtschaftsbauten vernichtete, eilten die Nachbardörfer den Geschädigten zu Hilfe.
Der Name Etchen lautete ursprünglich Etienne, 1752 wanderte ein Nicolas Etienne aus "Lothringen" und ein Nikolaus Etienne aus"Luxemburg"nach Mercydorf aus.